Egal, ob Fernbus, Bahn oder Flugzeug: Das beste Unterhaltungssystem auf Reisen ist für mich immer noch das Fenster. Gerade in unbekannten Gegenden finde ich es unglaublich beruhigend, einfach mal in die Ferne zu schweifen.
Noch besser als im ICE funktioniert das natürlich im Panoramazug durch die Schweizer Alpen. Ich habe im Februar 2018 eine Fahrt mit dem „langsamsten Schnellzug der Welt“ unternommen – und war beeindruckt.
Ticket und Reservierung
Üblicherweise kostet eine einfache Fahrt mit dem Glacier Express auf der Strecke Brig – Chur inkl. Sitzplatzreservierung 114 CHF, also knapp 100 Euro. Dazu kommen noch einmal teure Tickets zur Anreise mit den Schweizerischen Bundesbahnen, wenn man nicht gerade direkt am passenden Bahnhof nächtigt.
Während des diesjährigen kurzen Winterurlaubs in der Schweiz gab es allerdings ein nettes Angebot bei der Supermarktkette Coop. Diese bot eine „Spezial-Tageskarte“ für die ganze Schweiz für nur 49 CHF (46€) an. Diese beinhaltet kostenlose Zug-, Schiff- und Busfahrten durch fast die gesamte Schweiz.
Die Abdeckung nennt sich dann „GA-Geltungsbereich“ und entspricht im Prinzip einer Tageskarte im Bahncard-100-Stil. Somit sind auch Fahrten mit Glacier Express und dem Bernina Express möglich. Allerdings ist ein Aufpreis in Form einer Sitzplatzreservierung zu leisten. Diese kostete mittlerweile 33 CHF (ca. 30€). Kurzstrecken sind noch etwas günstiger.
Insgesamt zahlten wir somit pro Person knapp 70€ für die Tickets inklusive freier An- und Abreise mit der SBB. Durchaus vertretbar.
Die Reservierung für den Glacier Express ist obligatorisch und kann entweder am Bahnschalter oder online gekauft werden.
Theoretisch zumindest. Obwohl im Online-Reservierungstool eine niedrige Auslastung des Zuges angegeben war, zeigte sich bei der Buchung folgendes Bild:
Wir waren zu zweit unterwegs, sollten laut Reservierungsseite aber im demnach nahezu ausgebuchten Zug auseinandergesetzt werden. Sobald die Anzahl der Reisenden auf fünf geändert wurde, zeigten sich plötzlich komplett freie 4er-Tische. Es war allerdings nicht möglich, den Wagen manuell zu ändern.
So entschieden wir uns dazu, am nächsten Morgen eine besagte Tageskarte bei Coop in Thun zu kaufen, wenige Minuten später den Zug nach Brig zu nehmen und dort unser Glück am Schalter zu versuchen.
Stadtspaziergang durch Brig
Das führt direkt zum nächsten Abschnitt, denn die IC-Fahrt von Thun nach Brig stand somit fest. Der Schweizer InterCity war wie immer pünktlich und sauber – und laut Fahrplan ein „Verstärkerzug“ – anscheinend ist das Verkehrsaufkommen durch den Lötschbergtunnel zur Skisaison recht groß.
Also schnell das Reisezentrum aufgesucht und nach wenigen Minuten die gute Nachricht: Der Zug war insgesamt nur mäßig gebucht und wir bekamen zwei Plätze am freien Vierertisch. Erste Etappe geschafft, jetzt mussten wir nur noch eine gute Stunde Wartezeit in Brig rumbekommen.
Brig ist eine Kleinstadt im Kanton Wallis und liegt mitten zwischen zwei Gebirszügen der Schweizer Alpen. Die Altsadt versprühte jede Menge Kleinstadtcharme, eingerahmt von schneebedeckten Berghängen. Bei Coop und Migros fand sich dann auch ausreichend Proviant für die anstehende, vier Stunden lange Zugfahrt.
Auch am Bahnhof hab es einiges zu sehen. Sehr verbreitet bei den Eidgenossen sind beispielsweise die Verkaufsstände mit „Heissi Maroni“, also gebackenen Esskastanien. Bei diesem Geruch konnte ich natürlich nicht widerstehen. ❤
Einige Züge am Bahnhof Brig fahren nicht vom eigentlichen Bahnhof, sondern dem Bahnhofsvorplatz ab. Auffällig: Selbst die „einfachen“ Regionalzüge sind mit großen Panoramafenstern ausgestattet. Kein Wunder bei diesen Landschaften.
Und irgendwann kam dann pünktlich das Objekt der Begierde angefahren: Der Glacier Express. Hier noch gezogen von einer Lok der Matterhorn-Gotthard-Bahn.
Die Fahrt mit dem Glacier Express
Im Zug fühlte ich mich sofort wohl. Selbst die 2. Klasse ist schick eingerichtet, bietet ausreichend Sitzabstand für Gegenübersitzende (nicht wie bei der DB) und riesige Tische. Insgesamt wirkte der Zug sehr geräumig, wozu sicher auch die Panoramafenster beitragen. Die Wände gleichen quasi einer großen Glasfront und selbst der Blick nach oben ist frei:
An jedem Sitzplatz liegen ein paar Prospekte zum Zug sowie den gastronomischen Angebot aus. Sinnvoll war vor allem die detaillierte Karte zum Streckenverlauf. Außerdem gibt es kostenlose Kopfhörer für die Audiodurchsagen. Diese informieren regelmäßig über vorbeiziehende POIs, die Geschichte bestimmter Orte und so weiter.
Das sind aber alles Nebensächlichkeiten. Schon wenige Minuten nach der Abfahrt zeigten sich die ersten schneebedeckten Wiesen. Von 700 Höhenmetern geht es schnell in die Berge – vorbei an kleinen Ortschaften, Wäldern und Skiliften. Die Schneewand direkt an der Schiene war eindrücklich – und schränkte kurzzeitig die Aussicht ein.
Immer mal wieder ging es kurz durch den Tunnel, nur um danach wieder von der Aussicht begeistert zu werden.
Besonders ausgeprägt war dieser Effekt nach dem Verlassen des 15 Kilometer langen Furka-Basistunnels. So zeigte sich nach der langen Dunkelheit folgendes Bild:
Kurz darauf wird der Oberalppass erreicht – mit knapp über 2.000 Höhenmetern der höchste Punkt der Strecke. Noch einmal wenig später folgt ein längerer Zwischenstopp in Disentis. Während des planmäßig 16 Minuten langen Aufenthaltes wird die Zug der Matterhorn-Gotthard-Bahn entkoppelt und die Rhätische Bahn springt ein.
Wir hatten Glück, denn der reservierte Sitzplatz lag im letzten Wagen des Zuges. So hatten wir nicht nur keine fremden Sitznachbarn, sondern konnten je nach Aussicht auch frei den Sitzplatz wechseln. Außerdem bot sich in Kurven ein schöner Blick auf die übrigen Zugteil:
Noch besser wäre allerdings ein Sitzplatz in der 1. Klasse am anderen Ende des Zuges gewesen. Dann blickt man am Wagenende nicht auf die Lok, sondern kann stattdessen dem Streckenverlauf folgen.
Mit Erreichen des Bahnhofs Disentis war der schönste Abschnitt der Reise meiner Meinung nach vorbei. Nun ging es nur noch eine Stunde abwärts Richtung Chur. Natürlich gab es trotzdem weiter schöne Landschaften zu bestaunen und kurz vor dem Erreichen unseres Zwischenziels fährt der Glacier Express noch durch das malerische Rheintal.
Gastronomie und Souvenirs
Der Glacier Express führt einen Panorama-Bar-Wagen mit. Dort werden allerdings nur Getränke serviert, die übrige Bedienung erfolgt auch in der 2. Klasse am Platz. Die Speisekarte liegt im Wagen aus und ist alternativ auch online abrufbar.
Die sinnvollste Verpflegungsoption (nach der Selbstversorgung) ist wohl das für Schweizer Verhältnisse recht günstige 3-Gänge-Menü. Für dieses werden (Stand 2018) 43 CHF (36€) fällig. Alternativ sind Speisen wie Suppen, Entrecôte mit Kräuterbutter, kalte Fleischteller und weiteres auch einzeln erhältlich.
Auch eine recht große Auswahl an Souvenirs wird angeboten. Das Angebot reicht von einem typischen Glacier-Express-Weinglas über Magneten, eine Schneekugel, Weinflaschen und Postkarten bis hin zu einem Bahnset für die Modelleisenbahn. Die Souvenirs waren nur zwischen Disentis und Chur erhältlich, nicht auf der gesamten Strecke.
Sowohl Souvenirs, als auch Speisen können Bar oder mit Kreditkarte bezahlt werden, Internetempfang im Zug vorausgesetzt.
Fasnacht in Chur
Vor der Rückreise von Chur über Zürich nach Thun haben wir noch einen kleinen Stopp in Chur eingelegt. Allerdings platzten wir dort mitten in die Fasnacht-Feierlichkeiten, was den angedachten Stadtspaziergang deutlich erschwerte.
Fazit: Jederzeit wieder
Zum Normalpreis ist eine Fahrt mit dem Glacier Express nicht gerade günstig. Allerdings ist sie auch dann ein einmaliges Erlebnis mit komfortablen Sitzen, modernen Zügen und vor allem atemberaubender Aussicht. Leider wird die Aufnahme von Fotos durch die stark spiegelnden Scheiben deutlich erschwert. Landschaft genießen geht aber auch ohne Kamera. 😉
Wer in der Nähe ist, sollte sich eine Fahrt mit dem Glacier Express nicht entgehen lassen und idealerweise dabei noch ein Schnäppchen machen. Es gibt nicht nur regelmäßig Angebote (z.B. kostenloses First-Upgrade i. V. m. einem Hotelaufenthalt), sondern auch die Kombination mit Interrail, dem Swiss Rail Pass oder anderen Fahrkarten ist möglich.
Wer nur die Aussicht genießen möchte, kann die Strecke auch mit Regionalzügen zurücklegen. Dadurch wird die Fahrtzeit etwas länger und es sind ein paar Umstiege notwendig. Im Gegenzug ist es auch an kleinen Bahnhöfen jederzeit möglich, die Reise zu unterbrechen.
Genau das ist es, was ich ich bei der Fahrt vermisst habe. Nicht die fehlenden Steckdosen, nicht das fehlende WLAN – am liebsten wäre ich an jedem Ort ausgestiegen und ein paar Stündchen durch die Schneelandschaft spaziert. Aber letztlich spricht das einfach für die wahnsinnig schöne Landschaft, die durchquert wird.
Zwei Highlights haben wir durch unsere verkürzte Route verpasst: Zum einen wäre da die Einfahrt in den Ferienort Zermatt als westlicher Abschluss der Route. Zum anderen geht es Richtung Osten aber noch weiter über die Albulalinie mit dem legendären Landwasserviadukt. Diese Fahrt lässt sich wiederum gut mit dem Panoramazug Bernina Express verknüpfen, der weiter bis nach Italien verkehrt. Steht nun definitiv auf der Todo-Liste. 🙂